23
Jun
2025

Kritische Rohstoffe zwischen Sicherheit, Nachhaltigkeit und geopolitischem Wandel

Im Berichts des Bundesrates vom 13. Dezember 2024 zur Versorgungssicherheit der Schweiz mit kritischen Rohstoffen wird die strategische Bedeutung kritischer Rohstoffe für die Schweizer Industrie hervorgehoben, inbsesondere für die Energiewende.[1] Angesichts globaler Spannungen und der strategischen Instrumentalisierung von Handelsabhängigkeiten wird die Frage der Rohstoffversorgung aber zunehmend auch zu einer sicherheitspolitischen Herausforderung, wie Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter kürzlich in einer Interpellation adressierte.[2]

Rohstoffe für “Dual-use”

Viele kritische Rohstoffe sind sogenannte “dual-use” Materialien: sie können sowohl in zivilen als auch in militärischen Anwendungen zum Einsatz kommen.  Insbesondere die Energiewende und die Verteidigung sind für zahlreiche Anwendunge auf dieselben Rohstoffe angewiesen: etwa Lithium, Graphit, Gallium, oder Metalle der Seltene Erden.  Sie dienen als zentrale Bestandteile moderner Verteidigungssysteme (Drohnen, Sensorik, Robotik, Lenkwaffen) und sind gleichzeitig unverzichtbare Komponenten für Schlüsseltechnologien der Dekarbonisierung (Batterien, Windkraft, Elektromobilität). 

In seiner Rüstungspolitischen Strategie vom 20. Juni thematisiert der Bundesrat die Notwendigkeit, “Abhängigkeiten von Lieferanten, einschliesslich bei kritischen Rohstoffen, frühzeitig zu erkennen”.[3] Neben der rasch steigenden globalen Nachfrage machen die Abhängigkeit von wenigen Staaten, die die Produktion und Verarbeitung kritischer Rohstoffe dominieren, die Versorgung unsicher. Die Schweiz importiert viele dieser Rohstoffe – und insbesondere vorberarbeitete Halbfabrikate aus diesen Rohstoffen – aus der EU, die ihrerseits die Rohstoffe meist aus China bezieht, dem globalen Spitzernreiter in Abbau und Verarbeitung. Diese komplexe Lieferketten mit mehreren Abhängigkeiten erhöhen das Risiko für die Versorgungssicherheit der Schweiz, besonders in der derzeit instabilen globalen geopolitischen und wirtschaftlichen Lage.

Geoökonomische Spannungen

In Folge internationaler Spannungen gewinnen die “dual-use” Rohstoffe an politischer Brisanz. Das jüngste Beispiel sind Export-Beschränkungen Chinas auf bestimmte Seltene Erden „zum Schutz nationaler Sicherheit und zur Erfüllung internationaler Nonproliferations-Verpflichtungen“ als eine Reaktion auf die von der Trump-Regierung eingeführten Tarife[4] – eine Massnahme, die auch Schweizer Firmen direkt betrifft.[5] Neben generellen Vorschriften zur Lizenzierung sind US-Unternehmen, die im Verteidigungssektor tätig sind, auf einer “Schwarzen Liste” und unterliegen besonderen Restriktionen,[6] die sich zurzeit wenig vorhersehbar immer wieder ändern.[7] Dies zeigt exemplarisch, wie stark kritische Rohstoffe heute als geopolitisches Druckmittel fungieren. Für die Schweiz bedeutet dies, dass auch in nichtmilitärischen Anwendungen Risiken bestehen, sofern Lieferländer Differenzierungen nach Endverwendung vornehmen. Würde die EU etwa in Krisenzeiten Vorrangregelungen aktivieren, beispielsweise im Verteidigungsfall, könnte dies den Zugang der Schweiz zu wichtigen Rohstoffen erheblich beeinträchtigen.

Zielkonflikte in der Ressourcennutzung

Wie lassen sich sicherheitspolitische Interessen mit klimapolitischen Zielsetzungen in der Nutzung begrenzter Ressourcen vereinbaren? Die EU definiert seit 2024 mit dem „Critical Raw Materials Act“ sogenannte “strategische Rohstoffe”. Diese unterliegen besonderen Zielvorgaben für die lokale Produktion, Recycling und Diversifizierung, und sind durch ihre Bedeutung für strategische Schlüsselsektoren definiert: grüne Energietechnologien, Digitalisierung sowie Raumfahrt und Verteidigung.

Damit sind die Schwerpunkte klar gesetzt, es bleibt aber unklar, wie diese Sektoren untereinander gewichtet werden. In einer akuten Versorgungskrise könnte eine implizite oder explizite Priorisierung der Verteidigung den zivilen Umbau des Energiesystems erheblich verzögern. Andererseits könnte argumentiert werden, dass die Energiewende langfristig auch als eine sicherheitspolitische Massnahme wirkt, indem sie geopolitische Abhängigkeiten reduziert, beispielsweise von Ölimporten.

Rohstoffverluste und zirkuläre Potenziale

Ein weiterer Aspekt betrifft die sogenannte Dissipation – der irreversible Verlust von Rohstoffen während oder nach deren Nutzung. Rüstungsgüter werden oftmals unter hohem Materialeinsatz produziert, unterliegen langen Einsatz- und/oder Aufbewahrungszyklen und entziehen sich häufig der Rückgewinnung ihrer Rohstoffe – sei es durch systemische Nichtverfügbarkeit von Produktinformationen und den Produkten selbst (klassifizierte Komponenten) oder durch Zerstörung im Konfliktfall. Im Unterschied dazu bieten Technologien der Energiewende und in anderen zivielen Nutzungen zwar ebenfalls Herausforderungen im Recycling, jedoch insgesamt bessere Potenziale zur Wiedergewinnung und Kreislaufführung von Rohstoffen.

Die Frage stellt sich daher, in welchem Umfang Rohstoffstrategien auch die Ressourceneffizienz und Zirkularität differenziert nach Sektor und Anwendung bewerten sollten. Eine rein mengenbezogene Betrachtung der Rohstoffversorgung könnte zu kurz greifen, wenn Nutzungsunterschiede und ihre Auswirkung auf die Rückgewinnungsmöglichkeiten nicht berücksichtigt werden.

Herausforderungen für die Schweiz

Der zunehmende globale Rohstoffnationalismus verändern die geopolitische Landschaft der Rohstoffversorgung. Neben dem schwelenden Konflikt um Rohstoffe, Technologien und geoökonomische Dominanz zwischen den USA und China gibt es neue Entwicklungen etwa in puncto Bezugsmöglichkeiten aus Lateinamerika oder Afrika, bilaterale Abkommen wie der US-„Minerals Deal“ mit der Ukraine, und das wachsende internationale Interesse an Grönland als Lieferant kritischer Rohstoffe.

Für die Schweiz stellt sich die Frage: Wie positioniert sie sich in diesem neuen Rohstoffnationalismus? Die Ausarbeitung eines anwendungsorientierten Rohstoffmonitorings, das technologische Pfade in verschiedenen Sektoren verfolgt und potenzielle Engpässe frühzeitig erkennt, könnte ein wichtiger Bestandteil einer proaktiven Sicherungspolitik sein, die Zielkonflikte nicht nur erkennt, sondern sie aktiv adressiert: etwa durch die Beteiligung an internationalen Kooperationen und den Aufbau nationaler Resilienzmechanismen. Dazu könnte die Förderung von Innovation und Substitution kritischer Rohstoffe gehören, sowie der Ausbau einer Kreislaufwirtschaft, die gleichzeitig ökologisch nachhaltig ist und zur Sicherung wertvoller Rohstoffe beiträgt.


[1] https://www.parlament.ch/centers/eparl/curia/2020/20203950/Bericht%20BR%20D.pdf

[2] https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20253188

[3] https://www.vbs.admin.ch/de/bundesrat-ruestungspolitische-strategie

[4] https://www.hklaw.com/en/insights/publications/2025/04/china-imposes-export-controls-on-medium-and-heavy-rare-earth-materials

[5] https://www.nzz.ch/wirtschaft/china-kontrolliert-den-export-von-wichtigen-rohstoffen-schaerfer-jetzt-warnt-die-industrie-vor-versorgungsengpaessen-ld.1887918

[6] https://www.reuters.com/business/aerospace-defense/china-adds-28-us-entities-export-control-list-2025-01-02/

[7] https://www.nbcconnecticut.com/news/business/money-report/china-lifts-export-controls-for-28-u-s-companies-but-not-key-rare-earths/3566334/?os=wtmb5utKCxk5refapp%3Fref%3Dapp&ref=app

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